Stabilisierung von Differenzverstärkern für Kopfhörer-Anwendungen
Autor: John Caldwell, Analog Applications Engineer, Texas Instruments
Kopfhörerverstärker zu stabilisieren, stellt eine besondere Herausforderung dar. Dies liegt an der Schaltungs-Topologie des Differenzverstärkers und den Forderungen nach niedriger Ausgangsimpedanz, geringen Verzerrungen, geringem Rauschen und hoher Gleichtaktunterdrückung. Die hier vorgestellte Differenzverstärker-Schaltung ermöglicht einen stabilen Betrieb an kapazitiven Lasten, ohne dass die Ausgangsimpedanz bei niedrigen Frequenzen zunimmt oder die Gleichtaktunterdrückung beeinträchtigt wird. Mit der beschriebenen Technik lassen sich Kopfhörerverstärker entwickeln, die beim Anschluss typischer Kopfhörer stabil sind und es auf eine außergewöhnliche Audio-Performance bringen.
Die jüngst gestiegene Popularität von Hi-Fi-Kopfhörern und verlustlosen Audioformaten hat viele Hersteller elektronischer Geräte dazu veranlasst, ihre Produkte mit qualitativ hochwertigen Audioausgängen auszustatten. Als Resultat dieses Trends findet man 24-Bit/192-kHz Audio-D/A-Wandler, die sonst ausschließlich in Heim-Audioanlagen eingesetzt wurden, inzwischen auch in Mobilgeräten wie zum Beispiel Handys, Tablets und portablen Musik-Playern. Diese DACs liefern extrem verzerrungsarme Signale, sind aber nicht in der Lage, Kopfhörer direkt anzusteuern. Um also die Vorteile dieser Bausteine in vollem Umfang nutzen zu können, müssen die Systeme durch sorgfältig entwickelte Kopfhörerverstärker ergänzt werden.
Traditionelle Kopfhörerverstärker
DACs geben an ihrem Ausgang häufig ein differenzielles Signal aus, das vom Kopfhörerverstärker in ein massebezogenes Signal umgewandelt werden muss. Wie in Bild 1 dargestellt, verstärkt ein traditioneller Differenzverstärker, der aus einem Operationsverstärker (OpAmp) und vier angepassten Widerständen besteht, die Differenz zwischen den beiden komplementären DAC-Ausgängen. Darüber hinaus unterdrückt er Signale, die an beiden Ausgängen gleich sind (z. B. Verzerrungen gerader Ordnung). Der Verstärker sollte weder unerwünschten Rausch- oder Verzerrungskomponenten zum Signal hinzufügen noch den Gesamt-Frequenzgang des Systems verändern. Vielleicht die wichtigste Anforderung ist, dass der Verstärker stabil sein muss, wenn ein Kopfhörer an den Ausgang angeschlossen wird. Obwohl der letzte Punkt von so grundlegender Bedeutung ist, wird er beim Design von Kopfhörerverstärkern häufig übersehen.
Impedanzeigenschaften von Kopfhörern
Kopfhörer sind keine einfachen ohmschen Verbraucher, auch wenn ihre meist zwischen 16 und 600 Ω liegende nominelle Impedanzangabe etwas anderes vermuten lassen könnte. Bild 2 gibt die gemessene Impedanz eines Kopfhörers mit einer Nenn-Impedanz von 64 Ω zwischen 10 Hz und 10 MHz wieder (für einen Kanal). Die rote Kurve gibt den Betrag der Impedanz wieder, die blaue Kurve den Phasenwinkel. Zwei Resonanzspitzen sind klar erkennbar. Die bei 100 Hz liegende erste Spitze resultiert aus den mechanischen und elektrischen Eigenschaften der Antriebe in den Kopfhörern. Die zweite Spitze dagegen ist das Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen der Kapazität des Kabels und der Induktivität des Kabels sowie der Spule im Kopfhörer.
Hinsichtlich der Stabilität birgt die höherfrequente Resonanzspitze mehr Problempotenzial. Oberhalb dieses Resonanzpunkts ist der Kopfhörer eine kapazitive Last, wie am negativen Phasenwinkel zu erkennen ist. Kapazitive Lasten ergeben eine Polstelle in der offenen Schleifenverstärkung eines Verstärkers, was den Phasenrand verringert und potenziell zu Oszillationen führen kann.
Die gängigste Abhilfe gegen dieses Problem besteht darin, einen Widerstand (RISO in Bild 1) in Reihe mit dem Verstärkerausgang zu schalten, um die Lastkapazität von der Regelschleife zu isolieren und den Phasenrand zu erhalten. Diese Lösung ist tatsächlich geeignet, die Stabilität zu wahren. Aus verschiedenen Gründen beeinträchtigt sie jedoch auch die Audio-Eigenschaften des Verstärkers.
Erstens ist die Ausgangsspannung des Verstärkers nicht mehr unabhängig von der Last, denn die Ausgangsimpedanz des Verstärkers bildet zusammen mit der Lastimpedanz einen Spannungsteiler. Da aber die Last, wie in Bild 2 zu sehen ist, nicht rein ohmscher Natur ist, ändert sich die an den Kopfhörern liegende Spannung mit der Frequenz.
Zweitens ist der von Kopfhörern aufgenommene Strom nicht perfekt linear. Dies liegt zum Teil daran, dass sich die Impedanz des Antriebs abhängig davon ändert, an welcher Stelle ihres Bewegungsbereichs sich die Membran und die Tauchspule gerade befinden. Wenn sich die Membran entlang ihres Bewegungsbereichs bewegt, kann sich die Impedanz drastisch ändern, was die Stromaufnahme des Antriebs gravierend verzerrt. Hat der Verstärker eine von null verschiedene Ausgangsimpedanz, bewirkt ein verzerrter Strom eine Verzerrung der am Verstärkerausgang liegenden Spannung, was potenziell zulasten der Audioqualität geht [1]. Eine geringe Ausgangsimpedanz ist deshalb entscheidend, wenn Kopfhörerverstärker eine hohe Leistungsfähigkeit erreichen sollen.
Verbesserter Kopfhörerverstärker
Einige Verstärkerschaltungen schaffen es, beim Ansteuern großer Lastkapazitäten eine niedrige Ausgangsimpedanz zu wahren. Hierbei wird der Isolationswiderstand in die Regelschleife eingebunden und eine Dual-Feedback-Topologie verwendet [2]. Wenn man jedoch bei einem Differenzverstärker den Isolationswiderstand in die Regelschleife einbindet, verschlechtert dies die Gleichtaktunterdrückung (Common-Mode Rejection Ratio – CMRR) der Schaltung. Diese aber ist entscheidend für die Fähigkeit, Verzerrungen aus dem Ausgangssignal des DAC zu entfernen.
Eine Lösung für dieses Problem zeigt Bild 3a, während in Bild 3b die offene Schleifenverstärkung (AOL) und der Gegenkopplungsfaktor (1/β) grafisch dargestellt sind. Bei dieser Topologie entsteht durch den Widerstand RX und den Kondensator CX ein Pol-Nullstellen-Paar in der 1/β-Kurve. Durch Anheben des Betrags von 1/β bei der Frequenz, an der die Kurve die offene Schleifenverstärkung (fI) schneidet, wird dem System ein hinreichender Phasenrand verliehen, ohne die Ausgangsimpedanz im Bereich der Audiofrequenzen zu erhöhen oder die Gleichtaktunterdrückung zu beeinträchtigen. Das Hinzufügen von RX und CX beeinflusst außerdem nicht die Übertragungsfunktion der gegengekoppelten Schaltung.
Damit die Schaltung aus Bild 3a stabil ist, muss die Schnittpunktfrequenz (fI) kleiner sein als die Frequenz der zweiten Polstelle in der AOL-Kurve (fP(AOL)), aber größer als die Frequenz der Polstelle in der 1/β-Kurve (fP):
Andererseits sollten fZ und fP im Interesse einer bestmöglichen Audio-Performance möglichst weit über der Audio-Bandbreite liegen. Oberhalb der Nullstellen-Frequenz nehmen das Rauschen und die Verzerrungen der Schaltung infolge der abnehmenden Schleifenverstärkung zu. Wie so häufig, müssen die Forderungen nach Stabilität und hoher Leistungsfähigkeit auch bei diesem Design gegeneinander abgewogen werden.
Um das Design dieser Schaltung zu illustrieren, wurde ein OPA1612 zum Ansteuern der in Bild 2 verwendeten Kopfhörer konfiguriert. Bild 4 zeigt den Schaltplan der beim Design verwendeten TINA-TI™-Simulation. Aus Gründen der Einfachheit sind die vier Widerstände des Differenzverstärkers angepasst (R1, R2, R3, R4 = R).
Die Induktivität LT dient zum Aufbrechen der Regelschleife des Verstärkers. Die Schleifenverstärkung der Schaltung wird mithilfe des mit AOLB bezeichneten Spannungs-Messpunkts gemessen. Der Rückkoppelfaktor β wird mit dem differenziellen Spannungs-Messpunkt B unmittelbar an den Verstärkereingängen gemessen. Hier ist ein differenzieller Spannungs-Messpunkt erforderlich, da sowohl positive als auch negative Rückkoppelsignale vorkommen können. Der Netto-Rückkoppelfaktor ist die Differenz zwischen den jeweiligen positiven und negativen Rückkoppelfaktoren [2]. Mit dem Post Processor in TINA-TI können aus diesen Spannungs-Messpunkten zusätzliche Kurven generiert werden. Die Kurve der offenen Schleifenverstärkung wird beispielsweise erzeugt, indem die Schleifenverstärkung durch den Rückkoppelfaktor dividiert wird. Die 1/β-Kurve wiederum entsteht aus dem Kehrwert des Werts am Messpunkt B.
Ein an den Ausgang angeschlossener 400-pF-Kondensator (CL) stellt die Hochfrequenz-Impedanz der Kopfhörer dar. Dieser Wert wird bestimmt, indem man die Impedanz der Kopfhörer (Bild 2) am Punkt mit dem größten negativen Phasenwinkel heranzieht. An dieser Stelle liegt die stärkste kapazitive Belastung durch die Kopfhörer vor. In der Simulation kann eine von dieser Lastkapazität hervorgerufene zweite Polstelle in der AOL-Kurve bei 5,7 MHz entstehen, wo AOL einen Betrag von ungefähr 25 dB hat. Um die Kriterien in Gleichung 1 zu erfüllen, muss der Betrag des Gegenkopplungsfaktors bei hohen Frequenzen (|1/βHF|) größer als 25 dB sein. Dies wird mit der folgenden Gleichung berechnet:
Setzt man für alle Widerstände des Differenzverstärkers einen Wert von 1 kΩ an, lässt sich der Wert von RX wie folgt berechnen:
Ein Wert von 118 Ω für RX gewährleistet eine hinreichend hohe Schleifenverstärkung für einen stabilen Betrieb. Als nächstes wurde CX so gewählt, dass die Polstelle deutlich unter 5,7 MHz liegt. Eine konservative Entwurfsregel lautet, die Polstellen-Frequenz bei einem Zehntel der Schnittpunkt-Frequenz anzusetzen, sofern die resultierende Nullstelle dadurch nicht in die Nähe der Audio-Bandbreite rückt. Im vorliegenden Beispiel würde das Platzieren der Polstelle bei 570 kHz dazu führen, dass die Nullstelle bei 57 kHz liegt, was für Hochleistungs-Audiosysteme ein wenig zu niedrig ist. Als Kompromiss wurde die Polstelle bei einem Fünftel der Schnittpunkt-Frequenz angesiedelt.
Der Wert von 1,3 nF liegt sehr nah an dem für CX berechneten Wert. Daraus resultiert die folgende Nullstellen-Frequenz:
Die Nullstellen-Frequenz von 118,6MHz befindet sich so weit oberhalb der Audio-Bandbreite, dass eine Beeinträchtigung der Schaltungs-Performance ausgeschlossen werden kann.
Die Ergebnisse der Simulation der AC-Übertragungseigenschaften sind in Bild 5 zu sehen. Die offene Schleifenverstärkung und der Gegenkopplungsfaktor erscheinen im oberen Amplitudengangs-Diagramm. Die 1/β-Kurve schneidet die AOL-Kurve bei 5,4MHz. An diesem Punkt weist der Phasengang der Schleifenverstärkung (AOLB; unten) einen Phasenrand von 45,35° aus. Durch das Entfernen von RX und CX würde die 1/β-Kurve die AOL-Kurve unterhalb der von der Lastkapazität hervorgerufenen zweiten Polstelle schneiden. In diesem Fall beträgt der Phasenrand am Schnittpunkt -52,37°, was auf ein instabiles System schließen lässt.
Ein Differenzverstärker mit den zuvor berechneten Werten für RX und CX wurde gebaut, um seine Eigenschaften zu messen und mit denen eines traditionellen Differenzverstärkers mit einem Isolationswiderstand von 47,5Ω zu vergleichen. Als Last wurden in beiden Tests die gleichen 64-Ω-Kopfhörer verwendet (Bild 2). Es ist extrem wichtig, Kopfhörer mit realen Kopfhörern zu testen, da ein einfacher Widerstand nicht in der Lage ist, die nachteiligen Auswirkungen der Ausgangsimpedanz nachzubilden.
Bild 6 zeigt die geschlossene Schleifenverstärkung beider Schaltungen. Wie weiter oben schon erwähnt, bildet der aus Stabilitätsgründen verwendete Widerstand zusammen mit der Lastimpedanz der Kopfhörer einen Spannungsteiler. Dies führt dazu, dass die Verstärkung der traditionellen Verstärkerschaltung über die gemessene Bandbreite hinweg um 4,13 dB variiert. Im Unterschied dazu weist die Schaltung mit dem RX/CX-Netzwerk eine extrem niedrige Ausgangsimpedanz auf, und ihre Verstärkung ist weitgehend unabhängig von der Lastimpedanz. So variiert die Verstärkung der RX/CX-Schaltung über die gemessene Bandbreite nur um 0,03 dB.
Die Auswirkungen des Serienwiderstands am Ausgang werden auch an der Messung des THD-Werts (Total Harmonic Distortion) beim Ansteuern des 64-Ω-Kopfhörers deutlich. Bild 7 zeigt den gemessenen THD-Wert als Funktion der Frequenz für beide Lösungen mit einem Ausgangspegel von 300 mVrms. Wegen der nichtlinearen Stromaufnahme der Kopfhörer werden die THD-Eigenschaften durch das Hinzufügen eines Serienwiderstands entscheidend beeinträchtigt. Wenn bei niedrigen Frequenz die Kopfhörermembran am stärksten ausgelenkt ist, ist der THD-Wert des traditionellen Verstärkers mit Serienwiderstand um mehr als 55 dB schlechter.
Referenzen
1. John Siau, “The Sonic Advantages of Low-Impedance Headphone Amplifiers,” 2001.
2. J. Graeme, “Optimizing Op Amp Performance,” New York, McGraw-Hill, 1997. Print
Links
TINA-TI Simulationssoftware: www.ti.com/tina-ti
Produktinformationen: www.ti.com/OPA1612
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