Fraunhofer-Projekt: Open-Source-Baukasten für die Schwingungstechnik

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Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF entwickeln im Projekt „Open Adaptronik“ einen Baukasten für präzise Schwingungstechnik. Damit erhalten Anwender vom Hobbybastler bis zu Unternehmen einen Zugang zu komplexen Methoden und Technologien.



Erste Beispiele entwickeln die Wissenschaftler für schwingungstechnische Komponenten an photonischen Systemen wie Kameraträgern und optischen Tischen. Dabei setzen sie auf lizenzfreie Software, handelsübliche Hardware-Bausteine und die Mitarbeit von Nutzern des Baukastens. Eine Zielgruppe ist die Maker-Szene.


Die Maker-Bewegung besteht aus Tüftlern, Programmierern und Forscher, die ihre eigenen, individuellen technischen Systeme entwickeln und dafür Open Source-Programmier-, Hardware oder Fertigungssysteme nutzen. Dazu gehören z.B. Arduino-Mikrocontroller oder 3D-Druck. Anwendungen gibt es auch in der Kamera- oder Lasertechnik, beispielsweise in Verbindung mit Flugdrohnen. Entsprechend gibt es auch Interesse für leistungsfähige, flexibel anpassbare und günstige Schwingungstechnologien – die im besten Fall in Eigenregie entwickelt werden können.



Interaktive Wissensplattform geplant

Die Darmstädter Wissenschaftler versprechen genau das zu liefern: einen kostenlos verfügbaren Baukasten für anspruchsvolle schwingungstechnische Probleme. Dieser bedient sich kostengünstiger Soft- und Hardware-Komponenten, frei zugänglicher Fertigungstechnik und liefert darüber hinaus maßgeschneiderte Lösungen für individuelle technische Problemstellungen.


Zentrales Element ist die webbasierte Wissensplattform, die im Laufe des Projekts entstehen wird. Sie soll interaktiven Charakter haben, indem Wissenschaftler und Nutzer gemeinsam daran arbeiten. So füllen nicht nur die Wissenschaftler die Plattform mit Werkzeugen, Anleitungen und ersten Praxisbeispielen – dieses Sortiment deckt bereits die gesamte Kette von der Problemanalyse bis hin zur Entwicklung angepasster Hardware-Komponenten ab.


Die Beiträge der Nutzer in Form von eigenen Anleitungen und Praxisbeispielen für ganz individuelle Entwicklungen kommen hinzu. Im Sinne einer Open Source-Strategie sollen die einzelnen Teile des Baukastens gemeinsam mit Nutzern verbessert werden. Auch der Austausch zwischen Anbietern und potentiellen Kunden von Lösungen und Dienstleistern soll über die Plattform möglich sein.



Projekt wird gefördert

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt „Open Adaptronik“ über drei Jahre im Rahmen der Fördermaßnahme „Open Photonik“. Ziel der Maßnahme ist es, am Beispiel der Photonik neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft mit Bürgern zu ermöglichen und damit zusätzliche Innovationspfade und -potentiale zu erschließen. Die Maßnahme läuft im Rahmen des Programms „Photonik Forschung Deutschland“, sie ist Bestandteil der High-Tech-Strategie der Bundesregierung.


Mit dem Projekt „Open Adaptronik“ gehen die Darmstädter Forscher neue, in der Schwingungstechnik ungekannte Wege. Schwingungsprobleme zuverlässig zu vermessen und zu analysieren erfordert in der Regel Messtechnik im Wert von einigen tausend Euro. Das Konzept der LBF-Wissenschaftler setzt dagegen auf handelsübliche und günstige Sensorik, etwa MEMS-Sensoren, ohnehin vorhandene Geräte zur Datenverarbeitung wie Smartphones und passend angebotene lizenzfreie Software zur Datenanalyse. Damit reduzieren sich die Kosten für eine solche Analyse nach Angaben der Entwickler auf wenige Euro.



Vom Prototyp zu fertigen Produkt

Im Anschluss an die Messung können sich Nutzer mit Hilfe des Baukastens ein Simulationsmodell ihres Schwingungssystems bauen. Dafür bieten die Wissenschaftler über die Wissensplattform eine Model- und Komponentenbibliothek an. Das Simulationsmodell dient dabei zweierlei: dem besseren Verständnis des Schwingungsproblems und als Grundlage für die Auslegung eines adaptronischen Systems.


Ein adaptronisches System ist eine mechanische Struktur, die nicht nur Lasten trägt, sondern noch über Sensoren und Aktuatoren verfügt. In Verbindung mit einer Regelung können sich adaptronische Systeme selbstständig an verschiedene Betriebsumgebungen anpassen. Auch hierzu gibt die Wissensplattform Anleitung: Nutzer erhalten von den Wissenschaftlern eine Auswahl geeigneter Sensoren, Aktoren und elektronischer Komponenten für ihre Aufgabe – alle kommerziell verfügbar wie etwa Verstärker aus dem Audiobereich oder Regelungen auf Arduino-Basis. Auch mechanische Komponenten werden in diesem Schritt ausgelegt – und zwar so, dass sie günstig produziert werden können, etwa mit 3D-Druckern in öffentlich zugänglichen FabLabs.


Profitieren können davon auch kleine Unternehmen und Beratungsdienstleister. Über die Wissensplattform erhalten Mitarbeiter zunächst einen Einstieg in die Entwicklung adaptronischer Systeme. Ist die erste Idee vorhanden oder der erste Prototyp entwickelt, unterstützen die Fraunhofer-Wissenschaftler auf dem Weg bis hin zum kommerziellen Produkt. Das Angebot umfasst dabei Wartung, Garantie, Support und Hilfe bei zeitkritischen und richtlinienkonformen Entwicklungen.


Und auch die Maker kommen auf ihre Kosten. Der Projektpartner „FabLab Darmstadt“ hilft Entwicklern bei der Umsetzung und Fertigung ihrer Ideen, der wirtschaftlichen Verwertung – und bei der Firmengründung.

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