Whitepaper: Zeitsynchronisation gemäß dem Standard IEEE 1588

MESSTECHNIK



Mess- und Automatisierungsanwendungen müssen Ereignisse oft über ein komplexes verteiltes System hinweg genau synchronisieren: Beispielsweise synchronisiert ein industrielles Automatisierungssystem verteilte Motorensteuerungseinheiten, ein Prüf- und Messsystem misst Dehnungsmessstreifen über die gesamte Spannweite der Tragflächen eines Flugzeugs, oder ein Audiomesssystem erfasst Daten von mehreren Knoten, die an ein verteiltes Mikrofonarraysystem angeschlossen sind. Das Precision Time Protocol (PTP) gemäß dem Standard IEEE 1588 bietet eine Standardmethode zur Synchronisation von Geräten in einem Netzwerk mit einer Genauigkeit unter einer Mikrosekunde. Das PTP synchronisiert lokale Takte mit einem Haupttaktgeber und gewährleistet dabei, dass Trigger, Ereignisse und Zeitstempel in allen Geräten dieselbe Zeitbasis nutzen. IEEE 1588 ist für wohldefinierte verteilte Systeme sowie minimale Beanspruchung von Netzwerkbandbreite und Ressourcen optimiert. Dieser Artikel erläutert die Synchronisationstechnologie nach IEEE 1588 und vergleicht sie mit anderen Technologien.

 

Überblick über die Technologie IEEE 1588

 

Durch die Synchronisation mehrerer Takte über Netzwerke wie z. B. Ethernet ermöglicht der Standard IEEE 1588 eine relativ genaue Synchronisation über Standardverkabelung und über große Entfernungen hinweg. IEEE 1588 ist zur Zeit nur für Ethernet-Netzwerke definiert, obwohl jedes Multicast-Netzwerk theoretisch mit IEEE 1588 synchronisiert werden kann. Die Synchronisation anhand des Standards IEEE 1588 umfasst zwei Schritte: (1) Zuerst wird festgelegt, welches Gerät als Haupttaktgeber dient und anschließend (2) wird der durch Takt-Offsets und Netzwerkstörungen verursachte Laufzeitunterschied gemessen und korrigiert. Wird ein System initialisiert, erkennt das Protokoll IEEE 1588 automatisch, welcher Takt im Netzwerk der genaueste ist und bestimmt ihn zum Haupttaktgeber. IEEE 1588 macht alle anderen Takte zu Slave-Geräten und synchronisiert sie mit dem Master-Gerät.

 

Da sich der Zeitunterschied zwischen Master- und Slave-Takt aus Takt-Offset und Verzögerung bei der Datenübertragung zusammensetzt, wird der Laufzeitunterschied in zwei Schritten korrigiert: durch Korrektur des Offset und der Verzögerung. Der Master-Takt beginnt die Behebung des Offset-Fehlers mithilfe von "Sync"- und "Follow-up"-Botschaften (s. Abb. 1). Wenn der Master-Takt eine Sync-Nachricht schickt, nutzt das Slave-Gerät seinen lokalen Takt um das Eingehen der Sync-Nachricht mit einem Zeitstempel zu versehen und vergleicht sie mit dem tatsächlichen Übertragungszeitstempel in der Follow-up-Nachricht des Master-Takts. Der Unterschied zwischen beiden Zeitstempeln steht für den Offset des Slave-Takts plus die Verzögerung bei der Datenübertragung. Das Slave-Gerät ändert dann seinen lokalen Takt um den Wert des Offsets. Um die Verzögerung bei der Übertragung in der Berechnung des Offsets zu korrigieren, berechnet das Slave-Gerät aus der Sync-Nachricht die Verzögerung zwischen Master- und Slave-Takt und behält vom Senden einer Verzögerungsnachricht einen Zeitstempel. Der Master-Takt erstellt bei Eingang dieser Nachricht einen Zeitstempel und schickt eine Verzögerungsantwort mit dem Eingangs-Zeitstempel. Der Unterschied zwischen diesen Zeitstempeln ist die Verzögerung zwischen Slave- und Master-Takt. Das Slave-Gerät bildet den Durchschnitt zwischen zwei direktionalen Verzögerungen, passt dann den Takt entsprechend Offset und Verzögerung an und synchronisiert damit die beiden Takte. Da ein Drifteffekt bei Master- und Slave-Takt unabhängig voneinander auftreten kann, müssen Offset und Verzögerung immer wieder korrigiert werden, um die fortdauernde Synchronität der Takte zu gewährleisten.

 

Typische Leistung

 

Der Laufzeitunterschied sollte bei den meisten Implementierungen von IEEE 1588 bei normalen Betriebsbedingungen unter einer Mikrosekunde liegen. Die tatsächliche Leistung hängt allerdings in hohem Maße von der jeweiligen Anwendung ab. Beispielsweise legt das Protokoll IEEE 1588 nicht die Taktfrequenz bei Master- und Slave-Geräten fest. Dies führt zu einer schlechteren Auflösung bei Takten mit niedrigerer Frequenz. Auch die Stabilität des Takts ist ein Faktor, der von der hardwaretechnischen Realisierung abhängt. Takte, die auf temperaturgesteuerten Präzisions-Quarzoszillatoren (oven-controlled crystal oscillator = OCXO) basieren, sind stabiler – üblicherweise im ppb-Bereich – als Takte, die ungesteuerte Quarzoszillatoren verwenden, deren Stabilität im Bereich von 100 ppm liegt.Ein weiterer Faktor ist die Topologie des Netzwerks. Die einfachste Netzwerk-Topologie – zwei Geräte an einem einzigen Kabel – verursacht weniger Netzwerk-Jitter als viele Geräte, die durch Hubs und Switches miteinander verbunden sind.

 

Werden mehrere lokale Netzwerke benötigt, um die Entfernung oder die Anzahl der Geräte zu vergrößern, wird ein Netzwerk-Switch mit einem präzisen Takt gemäß IEEE 1588, eine sogenannte "Boundary Clock", zum Master-Takt bestimmt, der dann die Geräte an den lokalen Netzwerken synchronisiert. Darüber hinaus haben große Schwankungen im Netzwerkverkehr einen ungünstigen Einfluss auf die Bestimmung der Verzögerung bei der Datenübertragung. Bei Netzwerken mit einem oder mehreren lokalen Netzen führt erhöhter Netzwerkverkehr zu mehr Kollisionen und Routing-Verzögerungen. Dies wiederum erschwert die Bestimmung des Laufzeitunterschieds. Da viele Faktoren zu variierenden Laufzeitunterschieden führen können, wird empfohlen, diese immer wieder zu vergleichen und zu überwachen.

 

Vergleich mit anderen Synchronisationsmethoden

 

Entwicklern von Mess- und Automatisierungslösungen stehen zahlreiche Alternativen für die Synchronisation zur Verfügung. Tabelle 1 vergleicht die Synchronisation mit einer PXI-Backplane, die Synchronisation mehrerer Chassis mit einem PXI-Steckplatz zur Timing-Steuerung (Slot 2), mit IEEE 1588 über Ethernet und mit einem Network Time Protocol (NTP), einem Internetprotokoll für die Synchronisation von Takten über ein Netzwerk. Für die Auswahl der optimalen Lösung müssen die Anforderungen der jeweiligen Anwendung an Laufzeitunterschied, Entfernung und Kosten in Betracht gezogen werden.

 

Der minimale Laufzeitunterschied zwischen Ereignissen beeinflusst die typischen Abtastraten von synchronisierter Erfassung und Generierung. Er ist abhängig von Auflösung und Jitter des Ereignisses. Die Auflösung des Ereignisses ist die kleinste bestimmbare Zeitspanne, um ein Ereignis zu triggern oder mit einem Zeitstempel zu versehen. Anders als bei den meisten Takten – bei denen der Jitter kleiner ist als die Taktauflösung – ist die Verzögerung für Ethernet-Pakete mit IEEE 1588 tendenziell größer als die Auflösung und der begrenzende Faktor bei der Auflösung von Ereignissen. Die meisten IEEE-1588-Implementierungen besitzen eine Auflösung, die weiter unter dem gewünschten Laufzeitunterschied unterhalb einer Mikrosekunde liegt.

 

Auch bezüglich der Latenz von Ereignissen können die unterschiedlichen Alternativen verglichen werden. Darunter versteht man die Zeit, welche die Initiierung eines Ereignisses braucht, um vom Master- zum Slave-Gerät zu gelangen. Da sowohl IEEE 1588 als auch NTP IP nutzen, wird die Latenz des Ereignisses durch die Latenz des Pakets plus Geräte-Overhead begrenzt. Diese Latenz ist abhängig von Implementierung, Topologie und Netzwerkverkehr, bewegt sich aber gewöhnlich im Millisekundenbereich. Während verkabelte Backplanes und Module für die Timing-Steuerung Ereignisse innerhalb von Nanosekunden triggern können, sind IP-basierte Protokolle auf Millisekunden beschränkt. Diese größere Latenz beschränkt auch die Fähigkeit von IEEE 1588, asynchrone Ereignisse effektiv zu bearbeiten.

 

Methoden zur Backplane-Synchronisation wie etwa PXI sind ideal geeignet für höchst präzise Hochgeschwindigkeitserfassung und können mit Modulen zur Synchronisation von mehreren Chassis über große Entfernungen hinweg eingesetzt werden. Die Standardsynchronisation mit NTP über Ethernet bietet eine Genauigkeit im Millisekundenbereich. Diese Methode ist geeignet für nicht zeitkritische Ereignisse mit niedrigerer Geschwindigkeit. Der Standard IEEE 1588 stellt eine wichtige Alternative für Systeme dar, die in geografisch verteilten Systemen einen Laufzeitunterschied unter einer Mikrosekunde voraussetzen. Durch die Kombination der Vorteile des Ethernet-Kabels und der minimalen Beanspruchung von Prozessor und Netzwerkadministrator bietet IEEE 1588 eine weitere Option bei Synchronisationstechnologien. Die bei IEEE 1588 einzigartige Kombination des Laufzeitunterschieds unterhalb des Mikrosekundenbereichs mit dem Zeitstempel ist für viele Branchen attraktiv, vor allem für die industrielle Automatisierung, die Prüf- und Messtechnik und die Kommunikation, um die Synchronisation von Geräten über Ethernet-Netzwerke zu übernehmen.

 

Alex McCarthy

GPIB and VXI Marketing Group Manager

alex.mccarthy(at)ni.com

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