Wireless-Power-Transfer im industriellen Umfeld

Autor: Andreas Nadler und Cem Som, Würth Elektronik

Mit steigender Verbreitung des Wireless-Power-Transfers in der Konsumerelektronik wie z.B. in Smartphone-Ladestationen, blickt auch die Industrie- und Medizintechnik immer mehr auf diese Technologie und auf die daraus resultierenden Vorteile. Gerade in Industriebereichen, die mit harten Umgebungsbedingungen, scharfen Reinigungsmitteln, starker Verschmutzung und hoher mechanischer Belastung kämpfen müssen, bietet diese Technologie neue Ansätze als Alternativen zu teuren und anfälligen Schleifringen oder Kontakten. Dieser Beitrag beschreibt die Grundlagen dieser Technologie und gibt anwendungstechnische Tipps für ihren Einsatz.

Beim Gegentakt-Resonanzwandler (ZVS Oszillator) wird als taktgebende Schaltung ein klassischer Resonanzwandler verwendet. Dieser bietet mehrere Vorteile:

  • Er schwingt selbstständig an und benötigt nur eine Gleichspannungsquelle
  • Der Strom- und Spannungsverlauf ist fast sinusförmig
  • Es werden keine aktiven Bauteile und keine Software benötigt
  • Er ist skalierbar von kleiner bis großer Leistung (1 W bis 200 W)
  • Die MOSFETs schalten nahe dem Nulldurchgang
  • Er ist skalierbar für viele verschiedene Spannungen/Ströme

 



Funktionsweise des Resonanzwandlers

Der Resonanzwandler arbeitet bei einer konstanten Arbeitsfrequenz, welche durch die Resonanzfrequenz des LC-Parallelschwingkreises maßgeblich bestimmt wird. Sobald Gleichspannung an die Schaltung angelegt wird, beginnt diese von selbst zu schwingen. Dieses selbstständige Schwingen basiert auf winzigen Bauteiltoleranzen der MOSFETs. Einer der beiden MOSFETs wird in Sekundenbruchteilen etwas schneller leitend als der andere.

Durch die Mitkopplung der beiden MOSFET Gates mit dem gegenüberliegenden Drain des anderen MOSFETs ergibt sich eine 180°-Phasenverschiebung. Somit werden die beiden MOSFETs stets gegenphasig angesteuert und können nie zeitgleich leitend sein. Ein weiteres Merkmal dieser Schaltungstopologie ist, dass die Spannung immer nahe dem Nulldurchgang geschaltet wird, wodurch die Schaltverluste in den MOSFETs sehr gering ausfallen.

Der Nachteil dieser Schaltungstopologie ist, dass die Leistungsaufnahme im Leerlauf auf Grund der zirkulierenden Blindströme im Schwingkreis verhältnismäßig hoch ist. Die Grundschaltung von Abbildung 1 kann je nach Dimensionierung mit Spannungen von 3,3 V bis über 230 V laufen. Dabei muss ab Eingangsspannungen von 20 V auf den Berührschutz geachtet werden, da die Spannung im Resonanzkreis (um den Faktor π größer) hierbei schon über der SELV-Schwelle von 50 VAC/120 VDC liegt.

Die Schaltung auf der Senderseite kann identisch für die Empfängerseite verwendet werden. Dort arbeitet der Resonanzwandler dann als Synchrongleichrichter. Dabei gilt zu beachten, dass die Resonanzfrequenz der Empfängerseite sehr nah an die der Senderseite angepasst werden soll. Die Frequenz unter Last sollte 150 kHz in der Regel nicht übersteigen, da sonst die Verluste in den Sende-/Empfängerspulen und Parallelkondensatoren zu groß werden. Zudem sind die Grenzwerte in der EMV unter 150kHz höher.

In den bisherigen Tests hat sich der Frequenzbereich von 105 bis 140 kHz als bester Kompromiss herauskristallisiert. Zudem bleibt man somit im sicheren Bereich in Bezug auf das aktuell zugelassene Frequenzband für induktive Leistungsübertragung von 100 bis 205 kHz.

Wie ist das EMV-Verhalten von Wireless-Power-Übertragern

Da bei allen Wireless-Power-Applikationen Leistung übertragen wird, ist die Einhaltung der EMV-Grenzwerte nicht trivial. Die Herausforderung besteht darin, dass die Sende- und Empfängerspulen sich verhalten wie ein Übertrager mit schlechtem Kopplungsfaktor und sehr großem Luftspalt. Dadurch kommt es in der Umgebung der Spulen zu einem sehr starken elektromagnetischen Streufeld. EMV-Messungen haben gezeigt, dass Störungen breitbandig im Spektrum der Grundwelle bis in den Frequenzbereich von 80MHz auftreten können.

Schafft man es, die Pegel in der Störspannungsmessung mit Reserve zum Grenzwert einzuhalten, kann man meist davon ausgehen, dass man auch in der Störfeldstärke die Grenzwerte einhält. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Grenzwerte z.B. bei EN55022 Class B eine nicht zu unterschätzende Hürde in der Entwicklung darstellen können.
 

Das H-Feld (dI/dt) kann Störströme in benachbarte Leitungspfade induktiv einkoppeln. Dagegen hilft meist ein größerer Abstand oder eine Ferritfolie wie die WE-FSFS. Vor allem aber das E-Feld (dV/dt) koppelt sehr leicht kapazitiv gegen Erde aus. Das lässt sich bei der Messung der Störspannung als auch bei der Störfeldstärke beobachten. Diesen Gleichtakt-Störern (Common Mode) muss im niedrigen (kHz) als auch im höheren (MHz) Frequenzbereich entgegengewirkt werden.

Da bei WPC Applikationen das E-Feld (Streufeld) Hauptursache für Probleme in der EMV ist, müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden:

  • Unter der WPC Spule (v.a. Sender) sollte eine geschlitzte (kleinere Wirbelströme) Fläche aus Metall (z.B. Platine mit Kupfer) unter der Spule und der Schaltung angeordnet sein. Diese muss über einen Kondensator (z.B. 1 bis 100 nF/2000V WE-CSMH) an die Schaltungsmasse oder Gehäuse angeschlossen werden. Dadurch werden große Teile des E-Feldes zur Quelle kurzgeschlossen, und breiten sich nicht mehr über Erde aus.
  • Die Sende- und Empfängerspulen sowie deren Ansteuerung mir ausreichend Metallschirmung und/oder Absorbermaterial(WE-FAS/WE-FSFS) abschotten
  • Wenn es die Ableitströme zulassen, können Y-Kondensatoren (2 x 4,7nF max.) den Störpegel über ein weites Spektrum senken (WE-CSSA).
  • Um Common-Mode-Störer im niedrigen Frequenzbereich (50 kHz bis 5 MHz) zu filtern kann, man stromkompensierte Drosseln je nach Betriebsspannung und Strom aus den folgenden Serien verwenden: WE-CMB, WE-CMBNC, WE-UCF, WE-SL und WE-FC E.
  • Um Common-Mode-Störer im höheren Frequenzbereich (5 MHz bis 100 MHz) zu filtern, kann man stromkompensierte Drosseln je nach Betriebsspannung und Strom aus den folgenden Serien verwenden: WE-CMBNiZn, WE-CMBNC, WE-SL5HC und WE-SCCF.
  • Gegen Differential Mode (Gegentakt) können zusätzlich je nach Betriebsspannung auch noch Kondensatoren zwischen +/- L/N aus den Serien WE-FTXX und WE-CSGP geschaltet werden.
  • Da in der gesamten Schaltung je nach Applikation sehr hohe AC-Ströme fließen, ist ein kompaktes und niederinduktives Platinenlayout entscheidend für den Erfolg in der EMV. Man sollte die Bauteile der Leistungsstufe und des Schwingkreises örtlich sehr nah beieinander platzieren und mit großen Kupferflächen(Polygonen) niederinduktiv verbinden.

Sender- und Empfängerspulen

Um die passende Wireless-Power-Transfer-Spule zu finden, müssen einige Aspekte bedacht werden - z.B. wie groß wird der maximal zu erwartende Strom (Blind- & Nennstrom) in der Spule sein und was ist meine maximal zulässige Baugröße (L/B/H).

Um eine ungewollte Sättigung oder Übertemperatur der Spulen zu vermeiden, sollte immer ein Sicherheitspuffer von 30 % eingeplant werden. Kommen mehrere Spulen in Frage, so sollten die mit der höchsten Induktivität verwendet werden, denn dadurch kann der Schwingkreiskondensator kleiner werden. Zudem senkt diese Maßnahme die auftretenden Blindströme im „Tank“. Kleinere Ströme im Schwingkreis führen zu einer geringeren Eigenerwärmung und zu einem besserem EMV-Verhalten.

Die beste Kopplung wird erreicht, indem die Sender- und Empfängerspule die gleiche Baugröße haben, ein Größenverhältnis von 1:1 wird empfohlen. Die Bauteile der WE-WPCC Familie z.B. 760308102142 (53mm x 53mm), 760308100143 (ø 50mm), 760308100110 (ø 50mm) wurden speziell für hohe Leistungen entwickelt. Diese Spulen können als Sender und Empfänger eingesetzt werden. Sie zeichnen sich durch sehr niedrige Rdc Werte, sehr hohe Gütewerte Q und einen sehr hohen Sättigungsstrom IR aus.

Parallelkondensator

Da im Parallelschwingkreis hohe Ströme zirkulieren, ist nicht jede Kondensatortechnologie geeignet für diese Aufgabe. Es kommen je nach Applikation nur drei verschiedene Type zur Auswahl: MKP (z.B. WE-FTXX), NP0 (z.B. WE-CSGP) oder FKP. Diese Typen haben aufgrund Ihres niedrigen Verlustfaktors die Fähigkeit, hohe AC-Ströme zu tragen ohne sich zu stark zu erhitzen. Jedoch ist es nicht ungewöhnlich, je nach Leistung des Resonanzwandlers mehrere Kondensatoren parallel zu schalten, um die Ströme und somit die Eigenerwärmung aufzuteilen.

Aufgrund der Baugröße, der Kosten und für einen möglichst geringen Blindstrom im Resonanzkreis sollte die Kapazität so klein wie möglich gewählt werden. Limitierend sind hierbei die maximal zulässige Arbeitsfrequenz des Wandlers sowie die Höhe der Sender- und Empfängerspuleninduktivität. Die Spannungsfestigkeit sollte mindestens π x Vin sein, plus 20 % Sicherheitsreserve.

Filterinduktivitäten

Die beiden Filter-Induktivitäten entkoppeln den Schwingkreis „AC“-mäßig von der Versorgung. Sie dienen somit gleichzeitig als konstante Stromquelle und Filterelement. Die Stromtragfähigkeit muss dem maximalen Nennstrom der Schaltung angepasst sein. Es muss auf jeden Fall eine klassische Speicherdrossel (z.B. WE-HCI; WE-PD; WE-LHMI) mit Luftspalt und hoher Güte verwendet werden. Deren Nenninduktivität sollte min. 5 Mal größer sein, als die Induktivität der WPC-Spule, um genug Energie in den Schwingkreis nachladen zu können.

Ein- und Ausgangskondensator

Dieser Kondensator dient in Kombination mit den Speicherdrosseln hauptsächlich zur Filterung. Da die Schwingkreisfrequenzen unter 200 kHz liegen, muss die Kapazität der Kondensatoren entsprechend höher sein. Tests haben gezeigt, dass Werte zwischen 10 und 1000 µF, je nach Applikation und verwendeter Speicherdrossel, zu erwarten sind. Die -6dB-Eckfrequenz, welche der LC-Filter bildet, sollte ca. 1/10 der Schwingkreisfrequenz betragen. Somit sind theoretisch 40 dB / Dec Dämpfung zu erwarten. Aufgrund von parasitären Bauteileffekten sollte man in der Praxis mit ca. 30 dB/Dec rechnen.

Polymer- und Keramikkondensatoren bieten die Möglichkeit, durch ihren niedrigen ESR die Amplitude des reflektierten Spannungsrippels deutlich zu verkleinern. Ein kleinerer Spannungsrippel hat geringere Störpegel bei der Störspannungsmessung in der EMV zur Folge. Das beste Ergebnis erhält man, indem eine Parallelschaltung aus Aluminium-Elektrolyt- und Polymer/Keramik-Kondensatoren verwendet wird (z.B. WCAP-PTHR und WCAP-PSLC).

Applikationsbeispiel Standard-Resonanzwandler (Sender und Empfänger) 100W
 

Applikationsbeispiel Resonanzwandler mit Mittelabgriff 

Fazit

Ein Resonanzwandler kann sehr flexibel an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. Wenn die Anforderungen der Applikation bezüglich der Sicherheit, OnOff, Ladezustandserkennung etc. wachsen, kann diese Schaltung als Basis dienen und beliebig durch den Hardwareentwickler erweitert werden. Entscheidend für einen hohen Wirkungsgrad, möglichst kompakte Bauform und gute EMV-Eigenschaften sind, neben der taktgebenden Schaltung vor allem die Sende- und Empfängerspulen.

Würth Elektronik eiSos bietet neben einem breiten Sortiment auch Spulen mit höchsten Q-Faktor in der jeweiligen Bauform. Dadurch können hohe Induktivitätswerte erzielt werden und daraus resultierend kleine Bauformen für die Kondensatoren. Zudem wird für höhere Leistungen ausschließlich HF-Litze und hochpermeables Ferritmaterial verwendet - für maximalen Wirkungsgrad und bestmögliche EMV-Eigenschaften im Endprodukt.