Biosuperkondensator versorgt Sensoren im menschlichen Körper

FORSCHUNG & ENTWICKLUNG MEDIZINTECHNIK

Ein Forschungsteam der TU Chemnitz, des IFW Dresden und des IPF Dresden haben einen biokompatiblen Energiespeicher für den Sensorik-Einsatz in Blutbahnen entwickelt. Der kleine Biosuperkondensator liefert die Energie für biomedizinische Anwendungen.



Winzige Energiespeicher ermöglichen den Betrieb autonom arbeitender Mikrosysteme im menschlichen Körper. Dafür müssen diese Energiespeicher bio-kompatibel sein. Einen Prototyp eines Biosuperkondensators hat ein Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz, des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden und des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden (IPF) entwickelt.

Der Kondensator wurde in künstlichen Blutbahnen getestet, wo er als Energiequelle für ein Sensorsystem zur Messung des pH-Wertes verwendet werden kann. Das Speichersystem eröffnet Möglichkeiten für intravaskuläre Implantate und mikrorobotische Systeme für die Biomedizin, die in schwer zugänglichen kleinen Räumen im Inneren des menschlichen Körpers agieren könnte. So kann zum Beispiel die Erfassung des pH-Wertes im Blut in Echtzeit bei der Vorhersage der frühen Tumorbildung helfen.

Die Herstellung der Proben und die Untersuchung des Biosuperkondensators erfolgten größtenteils im Zentrum für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) an der TU Chemnitz.


Spannungen vergleichbar der einer AAA-Batterie

Immer kleinere Energiespeicher im Submillimeterbereich - sogenannte "Mikro-Superkondensatoren" - für immer kleinere mikroelektronische Bauteile stellen nicht nur eine technische Herausforderung dar. In der Regel benutzen diese Superkondensatoren keine biokompatiblen Materialien, sondern zum Beispiel korrosive Elektrolyten und entladen sich bei Defekten und Verunreinigungen schnell von selbst. Beide Aspekte machen sie für biomedizinische Anwendungen im Körper ungeeignet.

Eine Lösung bieten sogenannte Biosuperkondensatoren (BSCs). Sie sind vollständig biokompatibel - das heißt, dass sie in Körperflüssigkeiten wie Blut eingesetzt und für weitere medizinische Studien genutzt werden können. Zudem können Biosuperkondensatoren das Selbstentladungsverhalten durch bioelektrochemische Reaktionen kompensieren. Dabei profitieren sie von körpereigenen Reaktionen. Denn zusätzlich zu typischen Ladungsspeicherreaktionen eines Superkondensators steigern Redox-Enzyme und lebende Zellen, die natürlicherweise im Blut vorhanden sind, die Leistung des Bauteils um 40%.

Die derzeit kleinsten derartigen existierenden Energiespeicher sind nach Angaben der Wissenschaftler größer als 3 Kubikmillimeter. Dem Forschungsteam ist es jetzt gelungen, einen 3.000 Mal kleineren röhrenförmigen Biosuperkondensator herzustellen, der mit einem Volumen von 0,001 Kubikmillimeter (1 Nanoliter) weniger Raum als ein Staubkorn einnimmt und dabei bis zu 1,6V Versorgungsspannung für mikroelektronische Sensorik im Blut liefert. Das entspricht in etwa der Spannung einer AAA-Batterie, wobei der eigentliche Stromfluss bedeutend geringer ist. Die flexible röhrenförmige Geometrie des Nano-Biosuperkondensators bietet Selbstschutz gegen Deformationen, die durch pulsierendes Blut oder Muskelkontraktion entstehen. Bei voller Kapazität kann der vorgestellte Nano-Biosuperkondensator ein komplexes vollintegriertes Sensorsystem zur Messung des pH-Wertes im Blut betreiben.


Wie hilft hier die Origami-Technologie?

Bei der Origami-Technologie setzt man die benötigten Materialien für die nBSC-Bauelemente auf einer Waferoberfläche unter hohe mechanische Verspannung. Werden die Materialschichten anschließend kontrolliert von der Oberfläche abgelöst, wird die Verspannungsenergie freigesetzt und die Schichten wickeln sich von selbst mit hoher Genauigkeit und Ausbeute (95%) zu kompakten 3D-Bauteilen auf.

Die so hergestellten Nano-Biosuperkondensatoren wurden in drei Lösungen - sogenannten Elektrolyten - getestet: Kochsalzlösung, Blutplasma und Blut. In allen drei Elektrolyten war die Energiespeicherung ausreichend erfolgreich, wenn auch mit unterschiedlicher Effizienz. Im Blut zeigte der Nano-Biosuperkondensator eine exzellente Lebensdauer und hielt bis zu 70% der anfänglichen Kapazität auch noch nach 16 Stunden bereit. Um die schnelle Selbstentladung zu unterdrücken, wurde ein Protonenaustauschseparator (PES) eingesetzt.


Simulation der realen Bedingungen

Um die natürlichen Körperfunktionen in unterschiedlichen Situationen aufrechtzuerhalten, stehen die Strömungseigenschaften des Blutes und der Druck in den Gefäßen unter ständiger Veränderung. Der Blutfluss pulsiert und variiert je nach Gefäßdurchmesser und Blutdruck. Jedes implantierbare System innerhalb des Kreislaufsystems muss diesen physiologischen Bedingungen bei stabiler Leistung standhalten.

Das Team untersuchte daher die Leistungsfähigkeit ihrer Entwicklung - ähnlich wie in einem Windkanal - in sogenannten mikrofluidischen Kanälen mit Durchmessern von 120 bis 150µm, um Blutadern verschiedener Größe nachzuahmen. In diesen Kanälen simulierten und testeten die Forscherinnen und Forscher das Verhalten ihrer Energiespeicher unter verschiedenen Fließ- und Druckbedingungen. Sie stellten fest, dass die Nano-Biosuperkondensatoren ihre Leistung unter physiologisch relevanten Bedingungen gut und stabil bereitstellen können.


Einsatz des Ringoszillators

Die bereits im Forschungsteam etablierte 5-TFT-Technologie (Thin Film Transistor) konnte genutzt werden, um einen flexiblen Ringoszillator zu entwickeln, der bei Leistungen im Bereich nW bis µW und Frequenzen bis 100MHz arbeitet.

Für das aktuelle Projekt verwendete das Team einen fünfstufigen Ringoszillator. Er wird in einen pH-sensitiven BSC integriert, so dass es zu einer Änderung der Ausgangsfrequenz in Abhängigkeit vom pH-Wert des Elektrolyten kommt. Dieser pH-sensitive Ringoszillator wurde ebenfalls mit der Swiss-Roll-Origami Technik in eine röhrenförmige 3D-Geometrie gebracht, sodass ein vollintegriertes und ultra-kompaktes System aus Energiespeicher und Sensor geschaffen werden konnte. 

Der hohle Innenkern dieses Sensorsystems dient als Kanal für das Blutplasma. Darüber hinaus ermöglichen drei mit dem Sensor in Reihe geschaltete nBSCs eine effiziente und autarke pH-Messung.

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